Ende April 2020 wurde eine Lindenreihe im Klosterweg in Medingen baumpflegerisch behandelt. Der Hintergrund dieser Maßnahme war für uns als Baumpflegefirma spannend und nicht unbedingt alltäglich.
Hintergrund: Die Bewohner des angrenzenden Seniorenheimes beschwerten sich über mangelnden Lichteinfall aufgrund der Verschattung ihrer Wohnungen durch die Bäume. Bei einem Ortstermin im Februar dieses Jahres bestätigte sich dieser Eindruck. Zudem fiel bei der Betrachtung der Linden auf, dass die Bäume vor etwa 30 Jahren in ca. 5 Meter Höhe „gekappt“ worden waren. Damals war diese Maßnahme durchaus gängig, denn man wollte gerade Linden mit ihrer arttypischen Reaktion auf solch einen Eingriff (Stressaustrieb) zu Kopfbäumen erziehen. In diesem Fall wurden aber keine dringend gebotenen Folgeschnitte vorgenommen, sodass die Bäume nun wieder eine Höhe von über 30 m erreicht hatten. Allerdings war die typische Kronenstruktur zerstört und die damaligen Stresstriebe hatten sich zu kapitalen Stämmlingen mit ungünstiger Hebelwirkung entwickelt. Heutzutage gilt eine „Kappung“ als nicht fachgerecht und ist abzulehnen. Einige Bäume zeigten außerdem Absterbeerscheinungen in der oberen Kronenpartie und es hatte sich vermehrt Totholz gebildet. Es bestand ein dringender Handlungsbedarf zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit.
Was tun? Der erste Eindruck bot mehrere Optionen: Von Rückschnitt über erneute Kappung bis zur Fällung wurden alle Möglichkeiten diskutiert. Im Ergebnis entschied sich die Stadt Bevensen, ein Gutachten über mögliche Maßnahmen und deren Folgen zu beauftragen. Hierbei wurden die historische Bedeutung und der ortsprägende Charakter der Lindenreihe in Bezug auf das Kloster erwähnt sowie der Erhalt dieser Bäume hervorgehoben, was eine Fällung ausschloss. Geraten wurde zu einer Maßnahme, angeleht an das „Retrenchment Pruning“ nach Naville Fay. Gemeint ist die Reduzierung der Krone durch Einkürzung in mehrjährigem Abstand, um ihre Neubildung im unteren Bereich zu provozieren.
Als Fachfirma bekamen wir den Auftrag, die Einschätzungen des Gutachtens umzusetzen. Zuerst klärten wir, welche Zugangstechnik anzuwenden war. Eine reine Seilkletterkolonne war aufgrund der Instabilität nicht ratsam. Stattdessen fand ich in unserem umfangreichen Netzwerk eine entsprechende Hubarbeitsbühne, einen zusätzlichen Baumkletterer und eine Lösung für die Entsorgung des Schnittgutes. Weiterhin war zu klären, welchen verkehrsrechtlichen Bestimmungen wir Folge zu leisten hatten. Hier half uns der Landkreis Uelzen, der die Genehmigung zur Vollsperrung der Straße innerhalb kürzester Zeit erteilte.
Abb. 3: Vor dem Schnitt zeigten sich Totholzbildung und durchgewachsene Stämmlinge mit ungünstiger Hebelwirkung.
Abb. 4: Durch eine moderate Einkürzung wurden die Bäume in eine statisch günstigere Situation versetzt.
Abb. 5: Mit dem 33 m Hubsteiger konnten (fast) alle Kronenteile erreicht werden. Um die Maschine umfänglich zu nutzen, bedarf es langjähriger Erfahrung.
Abb. 6: Unterstützend wurden Seilkletterer eingesetzt um Vorarbeiten zu erledigen und vom Hubsteiger nicht erreichbare Kronenpartien anzuklettern.
Für die Umsetzung war anfangs war nicht abzusehen, ob wir alle Genehmigungen, Mitarbeiter und Geräte rechtzeitig einholen konnten. Aber nachdem ich den Beteiligten die Situation erklärt hatte, taten alle ihr Möglichstes, um die Arbeiten durchführen zu können. Danach wurden alle Anwohner über die zu erwartenden Einschränkungen informiert und wir standen für Rückfragen zur Verfügung. Bei schönstem Wetter und optimalen Bedingungen konnten wir die Arbeiten in kürzester Zeit erledigen.
Fazit: Durch die Schnittmaßnahme an den Linden im Klosterweg wurde zum einen der Lichteinfall der Wohnungen verbessert, gleichzeitig die Verkehrssicherheit hergestellt und die teils ungünstige Hebelwirkung einiger Stämmlinge entschärft. Dieser erste Schnitt war der Auftakt für zukünftige Reduzierungen des Kronenvolumens. Die für Linden typische Kronenform werden wir jedoch nicht wiederherstellen können, weil die „Kappung“ vor 30 Jahren zu gravierend war. Wenn aber die Reaktionen der Bäume richtig gedeutet werden und immer wieder (alle 3 bis 5 Jahre) eine erneute moderate Schnittmaßnahme durchgeführt wird, werden auch zukünftige Generationen diese beeindruckende Lindenreihe bewundern und sicher unter ihr flanieren können.
Es zeigte sich, dass die richtige Beurteilung der Situation, guter Wille, eine angemessene Planung und Ausführung aller Aufgaben und ein Zusammenspiel aller Beteiligten auch zu einem Zustand führen, der alle Seiten zufriedenstellt. Das gilt für öffentliche wie auch private Anliegen. Dafür danke ich allen Beteiligten der Samtgemeinde Bevensen-Ebstorf, des Landkreises, meinen beteiligten Kollegen und den technischen Dienstleistern sowie dem anliegenden Seniorenheim und den Anwohner für ihre Unterstützung und Geduld.
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